Liebe Freundinnen und Freunde von Neve Hanna,
im Rundbrief von 2021, inmitten der Corona-Pandemie, war zu lesen: „Das letzte Jahr war wohl das schwierigste in der Geschichte Neve Hannas!“ Inzwischen müssen wir erkennen, dass es noch schwierigere Zeiten geben kann und leider seit dem 7. Oktober letzten Jahres auch gibt.
Seit dem blutigen Überfall der Hamas herrscht Trauer um die Ermordeten, Sorge um die entführten Geiseln und die Soldat/innen, sowie Angst vor weiteren Angriffen. An dem Wochenende des 7. Oktober waren die Kinder, zumindest diejenigen, bei denen dies möglich ist, zuhause bei ihren Herkunftsfamilien, von denen viele im Süden in der überfallenen Region leben. In den Tagen danach holten einige Mitarbeiter*innen die Kinder in die relative Sicherheit Neve Hannas zurück – teilweise unter Einsatz ihres Lebens. Nach und nach stabilisierte sich der Alltag, feste Fahrpläne fürs Lernen, sowie auch vielfältige Freizeitbeschäftigungen waren hilfreich, Therapien gewannen eine noch größere Bedeutung. Aus der Notfallroutine wurde zusehends ein fester Fahrplan für einen Umgang mit einem Leben im Schatten des Krieges.
Die Berichte, die Neve Hanna in dieser Krisenzeit herausgab und die die Not ebenso wie die Rückkehr in den überschatteten Alltag reflektieren, sind hier auf der Website nachzulesen. Darunter auch, dass ein ehemaliges Heimkind am 7. Oktober ermordet wurde. Shimi wuchs ab dem Vorschulalter in Neve Hanna auf. Er wurde nur 29 Jahre alt.
Und trotz aller inneren Anspannung der Mitarbeiter*innen in der Sorge um die Neve-Hanna-Kinder, als auch um ihre eigenen Familien und Freund*innen, wurden die deutschen Freiwilligen nicht vergessen: In einer spektakulären Zusammenarbeit gelang es, alle sechs Freiwilligen am 12. Oktober wohlbehalten nach Deutschland zu holen. Gleichzeitig organisierte die mit Neve Hanna befreundete „Stiftung Jugendhilfe aktiv“ in kürzester Zeit eine Wohnung und Praktikumsplätze, sodass die sechs zusammenbleiben und im Theodor-Rothschild-Haus in Esslingen und in der Wilhelmspflege in Stuttgart die fehlende Zeit bis zur Anerkennung ihres Internationalen Jugendfreiwilligendienstes (IJFD) absolvieren konnten.
An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei allen Beteiligten bedanken! Wie tragfähig und solidarisch die Neve-Hanna-Familie ist,
zeigte sich besonders in dieser Krisensituation.
Wenig später, am Wochenende 11./12. November, fand in Hamburg die Vorstandssitzung mit Mitgliederversammlung und Vorstandswahlen statt. Etwa 30 Mitglieder des Vereins „Neve Hanna Kinderhilfe e.V.“ trafen sich in den Räumen der Jerusalem-Gemeinde. Da, anders als in den vorhergehenden Jahren, keine Gäste aus Israel kommen konnten, waren Dudu Weger und Chaim Appel per Zoom zugeschaltet und berührten die Anwesenden durch ihre bewegenden Berichte zur Situation in Israel im Allgemeinen und in Neve Hanna im Besonderen.
Bei den Vorstandswahlen kandidierten sechs der bisherigen Vorstandsmitglieder für eine weitere Wahlperiode und wurden in ihrem Amt bestätigt.
Roni Winter (seitheriger 1. Vorsitzender), Esther Haidle, Charlotte Kühn, Lior Ahlvers, Julian Hußmann und Ben Otto schieden auf eigenen Wunsch aus und wurden mit herzlichem Dank für ihr jahre- bzw. jahrzehntelanges Engagement aus ihrer Vorstandsverantwortung entlassen.
Aus großer Distanz und aus der Sicherheit des eigenen Zuhauses heraus die Geschehnisse in Israel zu verfolgen und nicht wirklich helfen zu können, lässt sich nicht lange aushalten. So reiste im Februar 2024 die neue Vorsitzende Dagmar Bluthardt für zwei Wochen zu einem Solidaritätsbesuch nach Neve Hanna. Im Mai und Juni folgten die Vorstandsmitglieder Simone Berger-Lober, Thom Kotte und Leonhard Mühlmeyer. Sie trafen in Neve Hanna neben allen Kindern und Mitarbeitenden auf Jona und Linus, zwei der sechs Freiwilligen, die im Oktober 2023 ihren Freiwilligendienst abbrechen mussten. Jona und Linus kehrten auf eigene Verantwortung für drei Monate zurück.
Die Solidaritätsbotschaft berührte alle in Neve Hanna zutiefst und allen voran die beiden Freiwilligen wurden mit offenen Armen begrüßt. Für die Kinder und Mitarbeiter*innen in Neve Hanna war erlebbar, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl erneut grenzüberschreitend ist und Neve Hanna auf Hilfe aus Deutschland zählen kann!
Dass der Verein „Neve Hanna Kinderhilfe e.V.“ zu helfen in der Lage ist, dafür sei Ihnen, unseren Mitgliedern und Spender*innen, ganz herzlich gedankt!
Überwältigt haben uns einige große Spenden, die sofort nach dem 7. Oktober eingingen. Aber auch die kleinen und kleinsten Spenden tragen zu dem gemeinsamen Ziel bei, die Kinder Neve Hannas in ihren herausfordernden Lebenslagen zu unterstützen. Was das im Einzelnen sein kann, beschreibt unsere Schatzmeisterin Irmela Jäger folgendermaßen: „Neben den treuen, regelmäßigen Spenden wird auch dankenswerterweise immer wieder zu Spenden statt Blumen bei Trauerfällen und zu Spenden statt Geschenken bei Geburtstagen und familiären Jubiläen aufgerufen. So können wir neben der, gerade jetzt im Krieg noch wichtigeren Therapiearbeit, auch zuverlässig die jüdisch-muslimischen Begegnungen Jugendlicher unterstützen. Außerdem konnten wir einen nennenswerten Beitrag zum neuen, wunderbar angelegten Spielplatz und zu verstärkten Sicherheitsmaßnahmen leisten. Zudem wurden kürzlich zwei Fahrräder angeschafft, die den (künftigen) Freiwilligen einen erweiterten Aktionsradius im immer größer werdenden Kiryat Gat (und Umgebung) ermöglichen werden.
Ein für uns besonders wichtiger Aspekt ist das unveränderte Fortbestehen der Freundschaft zwischen Neve Hanna und arabischen Bürgern Israels, insbesondere den in Rahat lebenden Beduinen. Neben persönlichen Kontakten gehören dazu zwei friedensbewegte Projekte: Täglich kommen beduinische Kinder aus Rahat und jüdische Kinder aus der Umgebung von Kiryat Gat nach der Schule nach Neve Hanna im „Pfad des Friedens“ zusammen, einem seit 2004 erfolgreich durchgeführten Friedensprojekt.
Zudem belebte Neve Hanna Treffen zwischen Jugendlichen aus Rahat und Jugendlichen aus Neve Hanna wieder. Sie sollen miteinander Spaß haben und sich besser kennenlernen. Auf die Weise werden in kleinen Schritten Vorurteile abgebaut und Freundschaften geschlossen; ein stetiger Beitrag zur Völkerverständigung auf dem Weg zu einem Frieden, der im Moment so unerreichbar scheint.
Neve Hanna lebt seit seiner Gründung von 50 Jahren eine friedliche Koexistenz, denn zu den Mitarbeitenden gehören natürlich auch muslimische Beduin*innen. Doch darüber hinaus pflegt der mehrheitlich jüdische Mitarbeitendenstab freundschaftliche Kontakte nach Rahat, die weit über die Arbeitsbeziehungen hinausgehen. Diese persönlichen Verbindungen sind die Grundvoraussetzung dafür, dass die Erziehung zum Frieden erfolgreich sein kann. Neve Hanna gelingt dies tatsächlich, wie die letzten schwierigen Monate wieder einmal zeigten. Dieser Beitrag zur Verständigung von jüdischen und arabischen Bürger*innen Israels ist umso wertvoller, da Neve Hanna dieses Thema in den Kreis einer Bevölkerung trägt, die damit ansonsten überhaupt nicht in Kontakt käme.
Dem Verein „Neve Hanna Kinderhilfe e.V.“ ist es ein ganz besonderes Bedürfnis, in diesen schwierigen Zeiten, welche die Menschen in Israel erleben, vor allem die therapeutische Arbeit wie auch die Friedensarbeit weiterhin zu fördern.
Um Sie auf dem Laufenden zu halten und darüber hinaus weitere Menschen für Neve Hanna wie auch für unsere Arbeit zu interessieren, informieren wir über die neuesten Entwicklungen in Neve Hanna, über den Alltag der Freiwilligen und über unsere Arbeit als deutscher Förderverein auf unserer Website (www.nevehanna.de). Aktuelle Themen finden Sie ebenfalls auf unserem Instagram-Kanal (@nevehanna_freiwilligendienst) wie auch auf dem des Kinderheimes (@nevehanna_il).
Schauen Sie doch mal rein!
Im Namen des Vorstands des Vereins „Neve Hanna Kinderhilfe e.V.“ grüßen Sie mit einem herzlichem Schalom
Dr. Dagmar Bluthardt und Thom Kotte